Auszug aus Sitzung 817 vom 30. Januar 1978

 

Bevor wir erörtern, welche Rolle der Einzelmensch beim Zustandekommen von wie immer geartetem Umeltgeschehen, an dem ganze Massen beteiligt sind, spielt, müssen wir uns zunächst die inneren Ursachen vergegenwärtigen, die zu einem Geschehen in Form konkreter und realer Ereignisse führen.

Die alles mit sich fortreißende Gewalt von  N a t u r e r e i g n i s s e n  kann man nur verstehen, wenn man in einen Bereich ihrer Wirklichkeit Einblick nimmt, der sich eurer Wahrnehmung entzieht. Deshalb müssen wir die innere Triebkraft von Naturereignissen erforschen.

 

Ein Naturforscher untersucht die Außenseite der Natur. Selbst die Forschungsarbeit mit Atomen und Molekülen oder (hypothetischen) Partikeln, die sich schneller als Licht bewegen, bezieht sich auf die Teilchennatur der Wirklichkeit. Der Wissenschaftler sucht für gewöhnlich nicht das Herz der Natur. Ganz sicher betreibt er nicht das Studium ihrer Seele.

 

Alles Sein ist Manifestation von Energie - eine  e m o t i o n a l e Manifestation von Energie.

Der Mensch kann das Wetter nach Kriterien von Luftdruck und Luftströmungen interpretieren. Er kann Verwerfungslinien beobachten mit dem Bemühen, Erdbeben zu verstehen. Das funktioniert auch alles - äußerlich und bis zu einem gewissen Grad.

Doch ist die Psyche des Menschen emotionell nicht nur ein Teil seiner körperlich-materiellen Umwelt, vielmehr ist sie zuinnerst mit allen Manifestationen der Natur verbunden.

Unter Zuhilfenahme der im letzten Kapitel eingeführten Bezeichnungen (System 1 = unsere materielle Welt, System 2 = Quelle unserer materiellen Welt) läßt sich sagen, dass die emotionale Identifikation des Menschen mit der Natur eine stark empfundene Wirklichkeit in System 2 ist. Und dort müssen wir die Antworten auf die Frage nach der Beziehung des Menschen mit der Natur suchen.

 

Dort, in Bezugssystem 2, erscheint die Natur der Psyche ganz klar, so dass ihre großen Bewegungen und Rhythmen verständlich werden. Die Manifestation physischer Engergie folgen emotionellen Rhythmen, die auch von den empfindlichsten Instrumenten nicht registriert werden können.

 

Warum kommt ein Mensch um, während ein anderer am Leben bleibt?

 

Warum wird ein ganzer Landstrich von einem Erdbeben verwüstet?

 

Worin liegt die Beziehung des Individuums zu solchen ganze Massen von Menschen ereilenden Katastrophen?

 

Bevor wir mit der Erörterung derartiger Fragen beginnen können, müssen wir wieder den Blick auf eure Welt richten und ihren Ursprung

erkunden, denn gewiß entspringen eure Welt und die Natur ein und demselben Prinzip.

 

Im Zuge dieser Betrachtungen werden wir das ganze Buch (Individuum und Massenschicksal) hindurch immer wieder Unterscheidungen zu treffen haben zwischen einem Geschehen selbst und der Bedeutung solchen Geschehens.

 

Allem Anschein nach ist eure Welt etwas gegenständlich Feststehendes und Tatsächliches, und das tägliche Leben in ihr gründet sich auf die euch bekannten Geschehnisse und Fakten. Ihr trefft klare Unterscheidungen zwischen dem Tatsächlichen und dem bloß Vorgestellten, zwischen Fakten und Phantasieerfahrungen. Ihr nehmt es im allgemeinen für selbstverständlich, dass der derzeitige Wissensstand, über den ihr als Volk verfügt, auf wissenschaftlichen Prinzipien beruht, die gesichert und unanafechtbar sind. Zweifellos hat sich koch die technologische Entwicklung auf der Grundlage gesicherter konkreter Fakten vollzogen.

 

Die Ideen, Phantasien und somit die Mythen der Welt scheinen von der geläufigen Erfahrung weit entfernt zu liegen - und doch hat alles, was euch als Wissen und Erfahrung zum Bewusstsein kommt, seinen Ursprung in jener schöpferischen Dimension des Seins, die ich als Bezugssystem 2 bezeichne. Man könnte sagen, dass eure Tatsachenwelt, einem Wurzelgrund aus Phantasie und Imagination, somit Mythen entsprießt, dem all die unzähligen Einzelheiten eurer Lebenszusammenhänge entstammen.

 

Was aber sind Mythen, und was verstehe ich unter diesem Begriff?

 

Mythen sind nicht Verzerrungen tatsächlicher Wirklichkeit; vielmehr sind sie der Schoß, durch den das Tatsächliche geboren werden muß.

 

In Mythen kommt eingeborenes Wissen um die Natur der Realität, eingebettet in imaginative Begriffe und beseelt von einer schöpferischen Kraft so stark wie die Natur selbst, zum Ausdruck.

Mythenschöpfung ist eine natürliche seelische Fähigkeit, eine elementare Funktion der Psyche, die in einem gesamtseelischen Zusammenwirken mythische Abbilder der inneren Wirklichkeit erschafft.

Diese Abbilder dienen als Modell, das der Organisation eurer Zivilisationen zugrunde liegt und das zugleich ein Instrument der Wahrnehmung bildet, durch dessen Linse ihr die Vorkommnisse eures Lebens als Einzelpersonen in ihrem geschichtlichen Zusammenhang seht und interpretiert.

 

Wenn ihr Mythen  a k z e p t i e r t, dann nennt ihr sie freilich Tatsachen, denn so sehr werden sie Teil eures Privat- und Berufslebens und auch eurer Gesellschaft, dass sie euch als offensichtlich und selbstverständlich erscheinen.

 

Mythen sind daher Ausdruck gewaltiger psychischer Dramen und von tieferer Wahrheit als das, was ihr Tatsachen nennt.

 

Sie bringen das immerwährende Schauspiel der Realität hervor. Es muss also klar verstanden werden, dass ich, wenn ich von Mythen spreche, die Natur des psychischen Geschehens miteinbeziehe, dessen fortwährende Realität in System 2 existiert und die Muster bildet, die dann in eurer Welt interpretiert werden.

 

Jemand, der von einer Naturkatastrophe betroffen ist, mag sich die Frage stellen:

 

Ereilt mich die Strafe Gottes, und wofür?

 

Ist die Vergeltung Gottes Ursache der Katastrophe?

 

Ein Wissenschaftler könnte statt dessen fragen:

 

Hätten wir mit besserer Technologie das Unglück irgendwie voraussehen und viele Menschenleben retten können?

 

Und er mag, frei von Emotionen, das Unglück einfach als das unpersönliche Walten der blinden Natur deuten, die weder wußte noch sich darum scherte, was ihr zum Opfer fiel.

 

Auf jeden Fall aber lassen solche Situationen augenblicklich  F r a g e n  entstehen, Fragen im Hinblick auf die persönliche Realität und Lebensrichtung des Menschen, seine Beziehung zu Gott, zu seinem Planeten und zum Universum. Er beantwortet diese Fragen entsprechend seinen eigenen

G l a u b e n s ü b e r z e u g u n g e n.

                     Schauen wir uns also ein paar davon an.

 

Macht Pause.

 

Nun: Mythen sind natürliche Erscheinungen, die ebenso unzweifelhaft aus der Psyche des Menschen aufsteigen, wie sich gewaltige Gebirge aus dem Erdinnern emportürmen. Ihre tiefere Wirklichkeit jedoch ist in System 2 als Quellenmaterial für die euch vertraute Welt vorhanden.

 

In diesem Sinne entstehen die großen Religionen eurer Zivilisationen aus Mythen, die ihren Charakter im Laufe der Jahrhunderte verändern, so wie auch Gebirge entstehen und vergehen. Die Gebirge könnt ihr sehen. Es wäre lächerlich, ihre Wirklichkeit zu leugnen. Eure Mythen seht ihr etwas weniger unmittelbar, doch treten sie in all euren Tätigkeiten offen zutage, und sie bilden die inneren Strukturen eurer Zivilisationen in all ihrer Mannigfaltigkeit.

 

In diesem Sinne sind also das Christentum und eure anderen Religionen  M y t h e n, deren Aufdrift durch ein inneres Wissen hervorgerufen wurde, dessen immense Dimensionen sich bloßer Faktizität entziehen. In diesem Sinne ist auch eure Wissenschaft wesentlich m y t h i s c h.

Das zu erkennen mag einigen von euch schon schwieriger erscheinen, denn sie scheint ja so gut zu funktionieren. Andere wiederum werden zwar geneigt sein, die Wissenschaft unter ihrem mythischen Aspekt zu sehen, doch sehr davor zurückscheuen, Religion, so wie ihr sie versteht, im gleichen Lichte zu sehen.

 

Doch sind es all diese Ideen, die in größerem oder geringerem Ausmaß eure Interpretation allen Geschehens bestimmen.

 

In diesem zweiten Teil des Buches beschäftigen wir uns vorwiegend mit aus eurer Sicht katastrophalen Ereignissen in der Natur. Wiederum wird es für manche keine Frage sein, dass Naturkatastrophen eine Vergeltung Gottes oder doch zumindest eine Mahnung des Himmels sind, Buße zu tun, wogegen für andere eine solche Katastrophe ihrem Wesen nach völlig neutral und unpersönlich ist und in keinerlei ursächlichem Zusammenhang mit der Gefühlswirklichkeit des Menschen steht.

 

Weil ihr euch selbst von der Natur absondert, seid ihr außerstande, ihre Manifestationen zu verstehen.

 

Allzuoft verstellen euch eure Mythen den Ausblick. Wenn Mythen standardisiert und allzu buchstäblich genommen werden, wenn ihr beginnt, sie allzueng mit der Tatsachenwelt zu verknüpfen, mideutet ihr sie völlig.

Wenn Mythen als Tatsachen genommen werden, haben sie immer bereits an Wirklichkeit eingebüßt. Unter dem Druck solcher Nötigung verflüchtigt sich ihre Macht.

 

Geduldet euch einen Moment... Die meisten Menschen interpretieren ihre Lebenswirklichkeit, ihre Siege und Niederlagen, ihre Gesundheit oder Krankheit, ihr Glück oder Unglück im Licht einer mythischen Wirklichkeit, die als solche nicht erkannt wird. Was verbirgt sich hinter diesen Mythen, worin liegt der Ursprung ihrer Macht?

 

Tatsachen sind zwar sehr dienlich, doch sind sie immer nur ein schwacher Aufguss der Wirklichkeit.

Anhand tatsächlichen Geschehens werden gewisse Erfahrungen kurzerhand als wirklich und andere als nicht wirklich deklariert.

Die Psyche aber läßt sich nicht so einengen. Sie hat ihre Existenz in einem Seinsbereich, in dem es alle Möglichkeiten gibt.

 

Sie erschafft Mythen wie das Meer den Schaum.

 

Mythen sind ursprünglich psychische Hervorbringungen von so großer schöpferischer Kraft, dass sie zum Ursprung ganzer Zivilisationen und Kulturen werden. Die ihnen innewohnende Symbolkraft und emotionelle Wertigkeit prägen sich der materiellen Welt so tief ein, dass sie nie mehr die gleiche sein wird wie zuvor.

 

Sie werfen ihr Licht auf historische Ereignisse, denn sie sind die Ursache dieser Ereignisse.

Sie verknüpfen und verweben die innere, unsichtbare, doch tief empfundene ewige psychische Erfahrung des Menschen mit den raumzeitlichen Geschehnissen seiner Erdentage und strukturieren in ihrer Kombination Gedanken und Glaubensüberzeugungen wirksam von einer Zivilisation zur anderen.

 

In System 2 waltet die innere Macht der Natur in beständgem Wandel. Die Träume, Hoffnungen, Bestrebungen und Ängste des Menschen wirken in unablässiger Bewegung aufeinander ein, und aus dieser Bewegung entsteht das Geschehen eurer Welt. In dieses Ineinanderwirken ist natürlich nicht nur der Mensch, sondern auch die Gefühlswirlichkeit aller Lebensformen irdischen Bewusstseins, das der Mikrobe und des Gelehrten, des Froschs und des Sterns, miteinbezogen.

 

Ihr deutet die Erscheinungen eurer Welt im Sinne der von euch akzeptierten Mythen.

Ihr organisiert also die materielle Erscheinungswelt anhand von Ideen.

Nur die Wahrnehmungen, die eure Ideen bestätigen, werden von euch verwertet. Der physische Körper selbst jedoch ist durchaus imstande, die Welt nach ganz anderen Kriterien zu ordnen als bloß nach dem einen euch vertrauten.

 

Ihr sondert euch von der Natur und ihren Absichten in weit größerem Maße als die anderen Lebewesen ab. In ihren gewaltigen Ausbrüchen erscheint euch die Natur wie ein Widersacher. In solchen Zeiten müßt ihr also, um eine Erklärung für die scheinbar feindselige Absicht der Natur zu finden, entweder nach Gründen außerhalb eurer selbst suchen, oder aber ihr müßt sie als absolut gleichgültig hinstellen.

 

Von seiten der Wissenschaft wurde oft gesagt, dass der Natur am Einzelwesen wenig, dass ihr nur am Bestand der Art gelegen ist; und so kommt es, dass ihr euch oft als Opfer in einem allgemeinen Kampf ums Überleben seht, in dem eure persönlichen Intentionen keinen Pfifferling zählen.

 

Ende des Diktats. Ende der Sitzung, es sei denn, ihr habt noch Fragen. (Robert Butts: "Nein, ich glaube nicht")

Ihr könnt euch auf allerlei Gutes gefaßt machen. Mehr will ich jetzt nicht sagen.

(Okay)

Meine herlichsten Grüße und einen schönen guten Abend.