Seth-Sitzung 799 vom 28. März 1977:

 

Nun: Guten Abend.

(Mit offensichtlichem Humor:)Zu eurer Erbauung eine Dissertation über die Natur des Menschen.

Ihr versteht, daß ein Tiger, der seiner Natur folgt, nicht böse ist. Was eure eigene Spezies anbelangt, so seid ihr ihr gegenüber weniger nett, mitfühlend oder verständig als gegenüber Tieren. Es ist leicht, eure eigene Art zu verurteilen.

Es mag für euch schwierig sein, meine Ansicht zu verstehen: Grundsätzlich meint es eure Spezies gut. Ihr begreift, daß ein Tiger in einer bestimmten Umwelt lebt und sich entsprechend seiner Natur verhält. Genauso ist es mit dem Menschen. Sogar seine Greueltaten werden in einem verzerrten Versuch begangen, Ziele zu erreichen, die er für gut hält.

 

Oft scheitert er dabei, diese Ziele zu erreichen, und er kann nicht verstehen, daß gerade seine Methoden dieses Erreichen unmöglich machen.

Und doch ist der Mensch, wie die Tiere, gesegnet, und sein Versagen ist nur das Ergebnis mangelnden Verstehens.

 

Sein Bewußtsein sieht sich einer viel komplexeren Welt gegenüber als die Tiere. Es projiziert Ideen und Symbole nach außen in die Realität,  w o  s i e

g e t e s t e t   w e r d e n   m ü s s e n. Wenn sie aufgrund rein geistiger Erfahrung getestet werden könnten, bestünde keine Notwendigkeit für die physische Existenz des Menschen. 

 

Ich (Seth) muß so weit wie möglich vereinfachen. Es ist, wie wenn der Mensch sagen würde: "Was ist nun mit  d i e s e r  Idee? Was können wir mit ihr anfangen? Was geschieht, wenn wir sie in die physische Realität werfen? Wie weit können wir mit all den großen Ideen und Gedankengängen der Wissenschaft und der Religion gehen, die in so besonderem Maße die Leistung des menschlichen Geistes sind?

 

Wenn diese Fragen rein intellektuell auf einem nichtgegenständlichen Reißbrett durchgearbeitet und beantwortet werden könnten, wäre die große Herausforderung unserer physischen Existenz weder notwendig noch von Bedeutung. 

Wie weit kann beispielsweise der Nationalismus gehen?

Wie weit kann die Welt von uns Menschen als etwas Äußeres, als Objekt behandelt werden?

Was kann der Mensch lernen, wenn er den Körper wie eine Maschine behandelt?

Oder als eine Täuschung?

Als ob der Körper vom blinden Instinkt geleitet würde?

Als ob er von einer Seele besessen würde?

Dies sind gewissermaßen alles einzigartige schöpferische Spielereien, die, wenn man sie nur von seiten der Tiere her beurteilte, als die wunderlichsten und entzückendsten intellektuellen Übertreibungen erscheinen müßten.

 

Genau wie die Tiere muß sich der aber auch der Mensch mit der Erde auseinandersetzen. Wie das Tier spielen, sich paaren, seine Beute erjagen oder Beeren essen muß - immer abhängig von der Erde, von Sonne, Bäumen, Schnee, Hagel und Wind -, so muß der Mensch auf eine andere Art seine Ideen verwirklichen, indem er sie in die elementaren Realitäten der Erde kleidet und sie als Ereignisse, in denen die Ideen Gestalt angenommen haben, wahrnimmt.

 

Wenn der Mensch destruktiv erscheint, verhält er sich nicht an sich zerstörerisch, sondern aus dem Wunsch heraus, etwas zu erreichen, das er als ein besonderes, für ihn erstrebenswertes, für ihn gutes Ziel erachtet; nur vergißt er dabei, die Angemessenheit und die Folgen seiner Methoden in ihren Auswirkungen auf die Umwelt abzuwägen.

 

Ein Tier, das seine Beute jagt, tötet und verschlingt, dient dem höheren Zweck der Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts, ob es sich dessen bewußt ist oder nicht - und wieder kann man Absicht und Verhalten des Tieres nicht böse nennen. Der Mensch verschlingt Ideen. Dadurch trägt er zu einer anderen Art Gleichgewicht bei, was er sich gewöhnlich ebenfalls nicht bewußt ist. 

 

Jedenfalls sollt ihr wissen: Kein Mensch handelt wirklich aus der Absicht heraus, etwas Schlechtes oder Böses zu tun.

Stürme verdunkeln den Sommerhimmel und bringen Blitz und Donner mit sich.

Erdbeben können das Land erschüttern.

Ihr mögt die Verwüstung zutiefst bedauern und zugleich wissen, daß weder Stürme noch Erdbeben etwas Böses sind.

Ihr kämt nie auf die Idee, ihnen eine schlechte Absicht zu unterstellen. Viel eher leuchtet euch ein, daß sie durch ihre Auswirkungen die Bedingungen für das Gleichgewicht der Erde korrigierten.

Dies erfordert ein besonderes Verstehen, ich bin mir dessen bewusst. Und doch kann man die zerstörerischen Sturmgewalten, die der Mensch entfesselt, nicht als etwas Schlechteres bezeichnen als ein Erdbeben. Wenn auch das Werk der Menschen oft zerstörerisch erscheinen mag, dürft ihr nicht ihrer  A b s i c h t

die Schuld zuschreiben, noch dürft ihr je den Fehler machen, den Menschen mit seinen Werken zu verwechseln.

 

Viele wohlmeinende Künstler produzieren aus den besten Absichten heraus schlechthin "abscheuliche Kunstwerke", die auf sie wegen der ursprünglich guten Absicht um so enttäuschender und jämmerlicher zurückfallen. Infolge ihrer guten Absicht ist ihr Mangel an Inspiration, Wissen und Technik nur um so deutlicher erkennbar. 

 

Wenn ihr euch zu sehr auf die Suggestionen der Pressemedien und all ihre negativen Berichte über das Tun und Lassen der Menschen abstützt, dann ist es wahrlich leicht zu vergessen, was ich euch sage (lauter), nämlich daß   j e d e r   M a n n   u n d    j e d e   F r a u   g r u n d s ä t z l i c h   g u t e   A b s i c h t e n  

h a b e n.

Diese gute Absicht mag verwirrt, verzerrt, kümmerlich inszeniert werden, sie mag in widersprüchlichen Überzeugungen ersticken oder angesichts von Zwängen, Gewalttätigkeiten oder Kriegen erdrosselt werden - aber kein Mann und keine Frau verlieren sie je. Dies stellt die Hoffnung der Menschheit dar und ist sie immer schon gewesen - ein helles Licht, das in jedem Individuum eurer Spezies leuchtet. Und diese gute Absicht wird von Generation zu Generation weitergegeben. Diese Erleuchtung ist viel mächtiger als jeder Haß oder nationaler Chauvinismus, die, allerdings, auch weitergegeben werden mögen.

 

F ü r   e u r e n   g e i s t i g e n   F r i e d e n   i s t   e s   a b s o l u t   n o t w e n d i g,   d a ß   i h r   a n   d e n   g u t e n   W i l l e n   i m   M e n s c h e n   g l a u b t.

 

Daran haben auch alle Tiere Anteil. Jedes Tier weiß, daß das andere unter bestimmten Bedingungen kämpfen, eine aggressive Haltung einnehmen oder sein Nest verteidigen wird. Und jedes Tier weiß auch, daß es von einem anderen gejagt und geschlagen werden kann, wenn dieses Hunger hat. Abgesehen von dieser vom Überlebenstrieb her unvermeidliche Kampfsituation fürchten sich Tiere nicht voreinander. Sie wissen, daß jedes andere Tier eine gute Absicht in sich trägt.

(Lauter:) G ö n n t   e u r e r   S p e z i e s   d a s   g l e i c h e.

 

Nun: Unterscheidet in eurem Geist zwischen den Menschen und seinem Werk.

Argumentiert gegen sein Werk, wie ihr wollt, wenn ihr in euren Zeitungen von Irrtum, Dummheit, Verrat, Gewalt und Krieg lest. 

Sammelt Ausschnitte oder ganze Seiten solchen Materials, wenn es eurer Phantasie dient - und ich spreche nicht nur zu dir oder Ruburt, sondern zu jedermann, der einen Hinweis auf die Wahrheit, den geistigen Frieden oder die Kreativität annehmen will.

 

Sammelt meinetwegen ganze Bücher über das Versagen des Menschen!

Ich persönlich sehe nicht ein, warum jemand die schlechtesten Arbeiten eines Künstlers sammeln und daran Vergnügen finden sollte, sie zu zerreißen. Der Mensch hat hervorragende Leistungen vollbracht. Ich nenne nur beispielsweise das hohe Niveau sprachlicher Verständigung, die vielfältigen Glanzlichter beeindruckender Gefühlsleistungen und kulturellen Ausdrucks, die Leichtigkeit, mit der der Mensch Ideen und Wünsche realisiert, seine Imagination, seine Kreativität - dies alles und noch viel mehr ist einzigartig im ganzen Universum.

 

Den Menschen auf seine schlechtesten Werke festzulegen bedeutet, böswillig seine Fehler und das Störende seines Verhaltens zu verherrlichen, bedeutet, das wenig Geglückte am Werk eines bedeutenden Künstlers herauszusuchen und ihn danach zu verurteilen. Wenn ihr dies tut, verurteilt ihr persönlich auch euch selbst.

 

Wenn ein Wissenschaftler sagt, Bewußtsein sei ein Zufallsprodukt, oder wenn Darwins Theorien besagen, daß der Mensch im Grunde der triumphierende Sohn von Mördern sei, widersprechen dem viele Leute. Wenn ihr aber sagt, die Menschen seien Idioten oder sie seien des Bodens nicht wert, auf dem sie gehen, dann ist eure Einstellung grundfalsch. Ihr müßt euch mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, die ihr kennt, und wenn ihr den Menschen verurteilt, dann verurteilt ihr die Menschheit und die maßgebenden Aspekte eurer Welt.

 

Wenn man sagt, Menschen könnten "in eine andere Wirklichkeit entfliehen", ist das eine grobe Verzerrung der Wahrheit. Dies gilt unabhängig von der Tatsache all der Wahrscheinlichkeiten, die wir erörtert haben. Es geht hier, wie ihr noch sehen werdet, um Gefühlserfahrungen.

 

Nun: Physisch hat euer Körper in Raum und Zeit seine Position. Ich spreche nun von primären und sekundären Erfahrungen. Wir wollen eine Primärerfahrung das nennen, was aufgrund eurer Sinnesempfindungen unmittelbar in dem für euch gegebenen Zeitmoment erfahren wird - der Kontakt des Körpers mit seiner Umwelt. Ich mache hier eine Unterscheidung, um unsere Diskussion - oder (mit einem Lächeln) meinen Monolog - verständlicher zu gestalten. 

Sekundärerfahrung hingegen beruht auf all jenen Informationen, die beispielsweise durch Bücher, das Fernsehen, durch Gespräche mit anderen, Briefe und so weiter zu euch gelangen. 

 

Die sekundäre Art der Erfahrung ist weitgehend symbolisch. Dies sollte klar sein. Wenn ihr mitten an einem sonnigen Mainachmittag von einem Krieg lest, ist das, auch wenn die Schilderung noch so lebhaft ist, nicht das selbe, wie wenn ihr in ein Kriegsgeschehen verwickelt wärt. Von der Energieknappheit zu lesen ist nicht das selbe, wie in einem ungeheizten kalten Haus zu sitzen. Wenn ihr von der möglichen Vernichtung der Menschheit durch Kernwaffen lest, während ihr ziemlich ruhig in eurem Wohnzimmer sitzt und Pfeife raucht oder Erdnüsse eßt, ist eure Wirklichkeit von derjenigen, die durch den Artikel in euer Bewußtsein gelangt, äußerst unterschiedlich.

 

Auf den Ebenen, von denen hier die Rede ist, muß sich der Körper primär mit seiner gegenwärtigen, unmittelbaren Existenz in Raum und Zeit auseinandersetzen. Auf höheren Ebenen ist er entsprechend ausgerüstet, um mit ganz anderen Daten umzugehen. Dazu gehört jenes Wissen der Zellen, das ich erörtert habe. Und doch hängt der Körper vom bewußten Geist ab. Erst dieser vermag ihm eine klare Einschätzung der Bedingungen, die er in Raum und Zeit vorfindet, zu geben. Der Körper hängt von diesem Wissen ab.

 

Wenn ihr euch, fern einer drohenden Gefahr, in eurer bequemen Wohnung aufhält, sollten euch eure Sinnesempfindungen diese Tatsache vermitteln und an euer Bewußtsein weiterleiten. Die Aufgabe sollte euch nicht schwerfallen. Ihr könnt euch umschauen und sehen, daß ihr nicht in Gefahr seid.

 

Euer Bewußtsein ist nicht zuletzt dazu da, eurem Körper eine Einschätzung von dem zu geben, was er zu gewärtigen hat. Es gibt Leistungen, die, in eurem Sinn, nur das Bewußtsein zu vollbringen vermag. Wenn ihr aufgrund der Primärerfahrung eurer Sinnesempfindungen euch sicher fühlt, aber aufgrund einer Sekundärerfahrung - sei es die Hiobsbotschaft einer Zeitung oder was auch immer - überwältigt werdet, dann fehlt es euch an mangelndem Unterscheidungsvermögen. Ihr seid nicht in der Lage, zwischen der real gegebenen sicheren Gegenwartssituation und der vorgestellten Lage, die vielleicht tatsächlich unsicher ist und jedenfalls den Gefahrenalarm auslöst, zu unterscheiden. 

 

In einem solchen Fall werden die Körpermechanismen im höchsten Maß verwirrt.

Die Signale für den Körper sind sehr widersprüchlich, so daß ihr nach einer Weile, wenn dieser Zustand andauert, nicht mehr sagen könnt, ob die Gefahr real oder nur eingebildet ist. Euer Bewußtsein zwingt dann eurem Körper einen ständigen Alarmzustand auf - aber noch schlimmer ist, daß ihr dabei "lernt", eure sinnlichen Rückmeldungen, die der unmittelbaren, gegenwärtigen Lage entsprechen, zu ignorieren.

 

Euer Körper mag sagen, daß ihr sicher seid, und eure Sinnesempfindungen signalisieren euch, daß keine Gefahr besteht. Dennoch habt ihr bereits begonnen, euch auf eure Sekundärerfahrung so zu verlassen, daß ihr euren körperlichen Reaktionen nicht mehr vertraut.

Die Imagination bringt dann tatsächlich die Alarmsignale nicht nur in die sichere Augenblickslage ein, sondern sie läßt sie im nächsten und übernächsten Augenblick nachklingen; so werden sie endlos in die Zukunft projiziert. Aus diesem Vorgang wird ersichtlich, daß jedes Individuum durch seine Glaubensvorstellungen seiner persönlichen Fähigkeiten beraubt wird, in der Gegenwart angemessen und gezielt zu handeln.

 

Der Körper kann nicht auf das, was morgen ist, heute reagieren. Seine eigenen Daten sind klar. Vermittelt ihm das Bewußtsein widersprüchliche Daten, ist er verwirrt. Die daraus resultierende Machtlosigkeit des Körpers führt euch in einen Zustand der Hoffnungslosigkeit - und diese Stimmung ist nicht länger an die ursächlichen Details gebunden, sondern sie durchtränkt euer ganzes Gefühlsleben, wenn dem nicht Einhalt geboten wird.

Oft genug wird die verurteilende, übertrieben kritische Einstellung eines Menschen selbstprognostisch: j e n e,  d i e   s i e   b e t o n e n, (laut) benehmen sich selbst ihrer der Lage angemessenen Reaktionen.

 

In eurem Leben und das heißt vor allem in eurem von den Sinnesempfindungen abhängigen Gefühlsleben muß eure Realität das sein, was ihr in Zeit und Raum eurer Welt erlebt, und was ihr im Rahmen dieser Welt, wie sie von euch erfahren wird, kreativ hervorbringt. Deshalb bitte ich euch inständig, euch nicht so zu verhalten, als ob sich der Mensch in naher Zukunft selbst zerstören würde - euch nicht so zu verhalten, als ob der Mensch ein schwachsinniges, zur Ausrottung der eigenen Art bestimmtes, verrücktes Monstrum sei, das schwer von Begriff ist und dessen Hirn Amok läuft.

 

Das Unheil der schwarzseherischen Prognosen von der angeblichen Selbstvernichtung der Menschheit und ihrem Untergang, Voraussagen, die ihr so fürchtet, ist in eurer Zeit keine Realität; und trotz aller Propheten des Untergangs, die Geschichte gemacht haben, Vorläufer der von ihnen angekündigten Apokalypse, hat sich die Kreativität des Menschen nie zerstört.

 

Es gibt Menschen, die auf der Verurteilung der Fehler und Mängel anderer Menschen oder der Menschheit selbst ihre Karrieren aufbauen.

Aufgrund solcher Geisteshaltung bleiben der Einsatz und die gute Absicht des Menschen unsichtbar.

Der Mensch steht in einem ständigen Prozeß des Werdens. Seine Werke sind fehlerhaft - aber es sind fehlerhafte Lehrstücke eines kreativen, genialen Künstlers, dessen Misserfolge  n u r   im Licht seines Genius so riesig und unverzeihlich erscheinen. Dieser Genius, den der Mensch in sich fühlt, ist es jedoch, der ihn lenkt und immer von neuem vorantreibt. 

 

Wenn ihr euch die Zukunft, wie ihr sie auffaßt, vergegenwärtigt, dann müßt ihr die konstruktiven Errungenschaften der Menschheit genauso realistisch einschätzen wie die destruktiven Bewirkungen. In diesem Sinn rechtfertigt jedes Jahr der menschlichen Existenz eine eher optimistische als pessimistische Prognose. Ihr könnt die gute Absicht des Menschen nicht außerhalb seines physischen Lebens stellen, denn  a u ß e r h a l b  des physischen Lebens habt ihr ein Wesen, das ihr nicht kennt. Ihr könnt nicht sagen, die Natur sei gut, habe aber den Menschen als ein Krebsgeschwür ausgeheckt. Die Natur könnte nie so unvernünftig sein. Ihr könnt auch nicht sagen, daß die Naturgesetze den Menschen zerstören werden, wenn er die Natur angreift, oder daß die Natur für ihre Arten wenig Verständnis habe und nur an der Erhaltung des Lebens an sich interessiert sei. 

Die Natur lebt in jedem Lebewesen aller Gattungen und Arten und wäre ohne die Lebewesen aller ihrer natürlichen Arten gar nicht existent.

 

Da ihr natürliche Wesen seid, gibt es in euch einen natürlichen Seinszustand. Dieser Zustand kann ein Reservoir der Vitalität, des Verständnisses und Friedens sein.

Was eure Wissenschaftler auch sagen mögen, Tatsache ist, dass sich euer Bewusstsein und euer Körper in jedem Augenblick eures Seins neu aktualisieren. Indem ihr die Erfahrung eures eigenen Bewußtseins und eures Seins in der Zeit, und zwar in jedem Augenblick, den ihr durchlebt, kultiviert, könnt ihr eine viel größere Vitalität und jene immense Kraft entfalten, die euch zur Verfügung steht. 

 

Um dieser Entfaltung willen müßt ihr euch auf eure unmittelbaren Sinnesempfindungen verlassen, nicht auf Sekundärerfahrungen, wie ich sie beschrieben habe.

Die primären Sinnesdaten, die in der Gegenwart erfahren werden und euch mit eurer Position in der Zeit vertraut machen, können euch darüber hinaus die Zeitlosigkeit erschließen, aus der alle Zeit hervorgeht, sie können euch über eure Intuition auf die wahre Natur des ewig gegenwärtigen, sich ins Sein ergießenden Universums hinweisen.

 

Diese Art der Erfahrung wird euch eine Ahnung von den größeren Möglichkeiten der menschlichen Kreativität vermitteln, und ihr werdet an ihr teilhaben.

Man hat euch gelehrt, eure Aufmerksamkeit den Mängeln und Fehlern eurer Gesellschaft zu widmen, und in eurer Zeit scheint es ja wirklich, als ob alles falsch herauskommen werde. Sich selbst überlassen, so habt ihr gehört, werde die Welt zugrunde gehen, werde das Universum sterben, der Mensch sich selbst vernichten. Solche Glaubensüberzeugungen unterlaufen euer Verhalten dermaßen, daß sie wesentlich in eurer Erfahrung zum Ausdruck kommen und euch der Segnungen berauben, die die Natur, wenn ihr sie unmittelbar und primär erfahrt, für euch bereithält.

 

Oft unterwandert ihr einfach die euch über eure Sinnesempfindungen vermittelte Wirklichkeit eures Lebens - den Überfluß an Vitalität und den Genuß des täglichen Augenblicks -, indem ihr die Wichtigkeit der Sekundärerfahrung, wie ich sie für unsere Diskussion definiert habe, überschätzt und übertreibt.

Die denkbar negativste Zukunftsprognose scheint euch am gelegensten zu kommen. Wenn ihr von den Gebresten und Ungeheuerlichkeiten der Welt lest, dann sagt ihr in allem Ernst und ohne jeden Humor: "Wie kann ich der Wirklichkeit entkommen, dieser zerstörerischen Wirklichkeit unserer Gegenwart?

Nach den  p r a k t i s c h e n   Kriterien eurer unmittelbarsten, weltzugewandten Erfahrung aber seid ihr und eure Welt im Moment, da ihr so sprecht, nicht im geringsten gefährdet; ihr erfreut euch physischer Sicherheit, wie die unmittelbare Wahrnehmung eurer Körpersinne es euch meldet. Indem ihr euch darüber hinwegsetzt, reagiert ihr nicht angemessen auf die tatsächlich gegebene Situation.

 

Der Unterschied würde klar, wenn ihr die Ungeheuerlichkeiten, von denen ihr lest, tatsächlich einmal physisch erfahren würdet. Wenn euch die Welt tatsächlich "auf den Kopf fallen" würde, könntet ihr ganz klar verstehen, daß ihr "früher" auf eine imaginäre und nicht auf eine real gegebene Situation reagiert habt.

 

Ich fürchte, daß euch einiges von dem, was ich sage, immer noch entgeht. Ich meine Ruburt, dich und andere. Selbst wenn Katastrophen, die ihr euch vorstellt oder die euch aus zweiter Hand angekündigt werden, sich später tatsächlich ereignen könnten, haben sie doch noch lange nicht das Gewicht physisch erlebten Unglücks. Indem ihr nachbrütet, was in der Zukunft sich an Schrecklichem alles ereignen könnte, trägt ihr kreativ zur Gestaltung einer glücklosen Zukunft bei.

 

Zugleich zerstört ihr euer eigenes Sein. Die realistische Verankerung eurer Lebensposition in der Zeit ist äußerst wichtig, denn sie ist die Grundlage eures praktischen Handelns und Verhaltens.

 

Ihr müßt in dieser Hinsicht euren Sinnesempfindungen vertrauen. Gegenteiligenfalls verwechwselt ihr eure psychologische Position mit der eures Körpers, der nicht gleichzeitig in einem Zustand der Sicherheit und der Gefahr sein kann und schlichtweg seine Kräfte verschwendet, wenn er gezwungen ist, sich in imaginiären Schlachten zu verteidigen.

 

Leider  s i n d   für manche Menschen Krieg, Verbrechen, Armut Primärerfahrungen, denen sie sich nicht entziehen können und die ihrerseits ein direktes Handeln erfordern. Der Körper muß reagieren. Wenn jemand zusammengeschlagen oder ausgeraubt wird, so erfährt er dies unmittelbar und reagiert unmittelbar. Wie schwach Menschen in einer derartigen Lage auch sein mögen, ihr Kraftmoment entspricht im Augenblick unmittelbar dem Gefahrenmoment.

 

Ihr könnt physisch nicht in gleicher Weise auf bloß projizierte oder imaginäre Gefahren reagieren. Es scheint keine Reaktion möglich zu sein. Ihr seid frustriert. Es ist eure Aufgabe, euch auf eure unmittelbaren Primärerfahrungen zu stützen, und indem ihr dies tut, nehmt ihr  e u r e   Verantwortung ernst. Ihr seid in der Lage, aus eurer eigenen Erfahrung zu handeln, und beeinflußt dadurch auch andere Menschen.

 

Ihr braucht vor Kriegen, die in einer anderen Ecke der Welt wüten, nicht die Augen zu verschließen. Doch wenn ihr zulaßt, daß derartige Zweithand-Erfahrungen die für euch gegebene gültige Realität überdecken, dann sprecht und handelt ihr aus einer Position heraus, die nicht die eure ist, und ihr versagt der Welt die Wohltaten, die ihr aufgrund eures wirklichen Seins beitragen könntet.

Ihr müßt euch der naturgesetzlichen Gültigkeit eurer Sinnesempfindungen klar bewußt bleiben; nur dann könnt ihr jene Intuitionen und Visionen voll ausschöpfen, die im Schnittpunkt eurer inneren mit der äußeren Realität durchkommen.

 

In diesem Sinn seid ihr immer und überall von der allgegenwärtigen Unversehrtheit der Natur umgeben. Sie vermittelt euch eure direkte Erfahrung. Sie bietet Wohlempfinden, Kreativität und Inspiration.

 

Ich bin mir eurer unausgesprochenen Fragen bewußt. Ihr möchtet wissen, wie groß oder wichtig die Anteile des Schlafs und des Wachlebens sind. Wenn ihr einverstanden seid, werde ich euch in unserer nächsten Sitzung antworten.

Dann werden wir den Beginn vorwegnehmen: Das ganze Material von heute abend gilt für die Menschen im allgemeinen und für dich und Ruburt ganz besonders.